Leni kniete sich vorsichtig neben das leuchtende Wesen. Das Licht flackerte sanft, so als würde es tief atmen. Dann öffnete sich das Glühen ein wenig – und Leni sah, dass Nilo aussah wie ein kleiner runder Stein mit winzigen funkelnden Augen.

„Ich komme aus der Sternenwabe“, flüsterte Nilo. „Ein Ort ganz weit oben im Himmel. Dort leben wir Lichtkinder. Aber ich habe einen Fehler gemacht...“

„Was denn für einen Fehler?“, fragte Leni leise.

„Ich bin zu nah an den Rand unserer Bahn geflogen. Und dann... hat mich der Schweifwind erwischt. Ich bin von der Bahn abgekommen und zur Erde gestürzt.“

„Aber warum darf dich niemand finden?“, hakte Leni nach.

Nilo zitterte leicht. „Die Funkenfänger sind hinter mir her. Sie sammeln verlorenes Sternenlicht. Und wenn sie mich finden, nehmen sie mein Leuchten mit – für immer.“

Leni spürte, wie ihr Herz schneller schlug. „Dann müssen wir dich beschützen.“

Plötzlich hörte sie ein leises Surren über den Baumwipfeln. Ein schwacher Schatten huschte über den Garten. Nilo wurde ganz still.

„Sie haben mich gefunden...“, hauchte er.

Wer sind die Funkenfänger? Und wie können Leni und Nilo ihnen entkommen?
? Morgen geht’s weiter mit Teil 3: Die fliegenden Schatten.

Leni war ein neugieriges Mädchen mit großen Träumen. Jeden Abend saß sie am Fenster ihres Kinderzimmers, schaute in den Himmel und fragte sich, wie es wohl da oben bei den Sternen aussieht.

Eines Abends – es war ganz still im Garten, und der Himmel war besonders klar – sah Leni etwas Seltsames. Ein helles Licht zog plötzlich über den Himmel und fiel… direkt hinter den Apfelbaum!

„Eine Sternschnuppe!“, rief Leni aufgeregt. Doch die war nicht einfach verschwunden – das Leuchten blieb da.

Leni schlich leise nach draußen. Barfuß lief sie durchs Gras, begleitet vom Zirpen der Grillen. Und da – direkt hinter dem Apfelbaum – lag etwas Kleines. Es leuchtete schwach, fast wie ein winziger Stern, der noch atmete.

Als sie sich bĂĽckte, flĂĽsterte eine helle Stimme:
„Bist du… ein Kind von der Erde?“

Leni stolperte erschrocken zurück. Das leuchtende Ding – es sprach!

„Ja… ich bin Leni“, flüsterte sie. „Und wer bist du?“

„Ich heiße Nilo“, antwortete das Wesen. „Ich bin… verloren gegangen.“

„Verloren?“, wiederholte Leni. Doch bevor sie mehr fragen konnte, flackerte das Licht – und Nilo rief:
„Sie kommen! Sie dürfen mich nicht finden!“

Dann wurde alles dunkel.

Was meint Nilo? Wer ist auf der Suche nach ihm?
? Morgen geht's weiter mit Teil 2: Nilo erzählt sein Geheimnis.

Die Raumstation Kicherstern war bereit zur Landung – zum allerersten Mal. Bisher hatte sie alles lieber umkreist oder wild umhergetanzt. Aber heute... war es anders.

Heute wollten Jo, Mo und Nia nicht einfach nur helfen. Heute wollten sie bleiben. Zumindest fĂĽr eine Weile.

Vor ihnen leuchtete Planet Wappi in sanftem Blaugrün. Er war ruhig, friedlich – aber auch lebendig. Man konnte es fast hören, wie er atmete. Als wollten Bäume, Wasser, Berge und Lichter gleichzeitig „Willkommen“ sagen.

„Jo“, sagte Nia am Funkgerät, „ich habe die Nachricht noch mal gelesen. Da steht, wir sollen glühwürmchenfestlich kommen. Hast du eine Ahnung, was das bedeutet?“

Jo grinste. „Ja. Glühwürmchenfestlich heißt: Es darf leuchten. Und es darf flimmern. Aber es muss auch gemütlich sein.“

„Also wie ich nach dem Zähneputzen im Dunkeln“, rief Mo aus der Küche. „Ich hab meine Socken mit kleinen LED-Lichtern angezogen!“

Nia hatte sich Blumen in die Haare geflochten – echte Raumblumen, die im Dunkeln schimmerten. Jo trug ihren besten Raumanzug – den mit der goldenen Kapuze. Und auf ihren Rücken hatte sie zwei kleine Windräder geschnallt, die im Sonnenlicht blinkten.

Als sie landeten, wartete schon eine große Gruppe Bewohner auf sie: kleine bunte Wesen mit langen Ohren, Pflanzen mit Gesichtern, fliegende Luftblasen mit Augen – und ein gigantisches, friedliches Leuchten in der Luft.

Es war Wappi.

„Ihr seid zurück“, sagte er.
„Und ich… bin wieder ganz. Sogar ein bisschen mehr. Danke.“

„Du hast uns gerufen“, sagte Jo. „Und dann hast du uns gezeigt, worauf es ankommt: Zuhören. Vertrauen. Und manchmal… tanzen.“

Mo nickte. „Und nicht zu vergessen: keine gefährlichen Krallenschiffe adoptieren!“

Alle lachten.

Das Fest begann, als die zweite Sonne aufging. Ja – Wappi hatte zwei Sonnen. Eine warme, gelbe. Und eine kleine, blaue, die nur an besonderen Tagen auftauchte. Und heute war so ein Tag.

Überall schwebten Laternen. Manche liefen davon, wenn man sie fangen wollte. Andere flüsterten Witze, die so albern waren, dass Mo fast sein drittes Marmeladenbrötchen fallen ließ.

Es gab Essen, das leise knisterte, wenn man es kaute. Musik, die man mit den FĂĽĂźen spĂĽrte. Und Spiele, bei denen man sich in eine leuchtende Kugel verwandelte und ĂĽber das Fest rollte. Nia war besonders gut darin.

Als die zwei Sonnen sich am Horizont küssten – so nannte man es, wenn sie sich kurz berührten, bevor eine davon unterging – saßen Jo, Mo und Nia auf einem weichen Hügel und schauten zu.

Der Lichtwürfel – das Herz von Wappi – ruhte jetzt in einer kleinen Lichtsäule mitten auf dem Festplatz. Und ganz in der Nähe, ruhig, aber sichtbar, schwebte ein schwarzes Ei. Noch immer stumm. Noch immer geheimnisvoll. Aber nicht mehr einsam.

„Jo?“, fragte Nia.

„Hm?“

„Glaubst du… wir werden noch mal gerufen? Vielleicht von einem anderen Planeten? Oder einem Raumwal? Oder einem Stern, der seine Punkte verloren hat?“

Jo nickte langsam. „Bestimmt.“

Mo war schon eingeschlafen, mit einer GlĂĽhwĂĽrmchen-Laterne als Kopfkissen.

Die Nacht kroch langsam heran – aber auf Wappi bedeutete das nichts Dunkles. Die Sterne tanzten. Die Pflanzen summten leise. Und überall funkelten kleine Lichter.

Und so endete die Reise der Kicherstern – vorerst.

Nicht mit einem Knall. Nicht mit einem Abenteuer, das alles veränderte.

Sondern mit Lachen, Licht, und dem GefĂĽhl, genau am richtigen Ort zu sein.

Ende.

„Unbekanntes Objekt nähert sich“, wiederholte der Bordcomputer mit einer Stimme, die deutlich nervöser klang als sonst.

„Form: rund. Farbe: vollständig schwarz. Temperatur: 0 Kelvin.
Empfehlung: sofortige Kehrtwende oder vorsichtiges neugieriges Anstarren.“

Jo entschied sich fĂĽr Letzteres.

„Zoom drauf“, sagte sie ruhig.

Auf dem Bildschirm erschien das Objekt. Es war tatsächlich kugelrund – perfekt glatt, vollkommen dunkel. Kein Licht spiegelte sich auf seiner Oberfläche. Es sah aus wie… ein Ei. Ein riesiges, schwarzes Ei, das durch das All trieb, lautlos, schwerelos – aber zielgerichtet.

„Sieht nicht gefährlich aus“, sagte Mo. „Sieht aus wie ein verlorenes Frühstück.“

„Oder wie etwas, das noch nicht entschieden hat, was es sein will“, flüsterte Nia.

Die Kicherstern flog langsam näher. Das Ei bewegte sich nicht, wich ihnen nicht aus – es ließ sich einfach treiben, genau auf ihrer Höhe.

„Was sagt der Scanner?“, fragte Jo.

„Nichts“, antwortete Mo. „Keine Energie, keine Bewegung, keine Oberfläche, die sich messen lässt. Es ist da – aber irgendwie… nicht.“

„Das macht mir mehr Angst als ein Raumschiff mit Krallen“, murmelte Nia.

Plötzlich vibrierte der Lichtwürfel in der Mitte des Kontrollraums. Sanft, hell – wie ein Echo. Und dann sprach er:

„Ich kenne das.“

„Was meinst du?“, fragte Jo.

„Dieses Ei ist eine Erinnerung. Eine alte. Eine Möglichkeit, die nie wurde.“

Alle verstummten.

„Es gehört zu Wappi“, sagte der Lichtwürfel. „Oder… es gehörte. Damals. Bevor er einen Namen hatte.“

Jo blinzelte. „Du meinst… das Ei ist… ein Teil von ihm?“

„Nicht ganz“, sagte der Würfel. „Aber es war einmal seine Idee.“

„Eine Idee?!“, wiederholte Mo. „Ein Gedankenei?!“

„Warum nicht“, murmelte Nia. „Vielleicht war Wappi mal etwas anderes geplant – größer, kleiner, fliegender… wer weiß.“

Der LichtwĂĽrfel blinkte.

„Wenn wir es mitnehmen, wird Wappi es erkennen. Vielleicht wird er sich freuen. Vielleicht wird er traurig sein.“

Jo überlegte kurz. Dann sagte sie: „Man kann niemanden ganz zurückgeben, wenn man Teile von ihm zurücklässt. Wir nehmen es mit.“

Mit Hilfe des Greifarms (den Mo liebevoll „Karlchen“ nannte) holten sie das schwarze Ei an Bord – in die kleine, runde Halle mit dem Aussichtsdach. Dort schwebte es nun. Still. Ruhig. Geheimnisvoll.

Die Rückreise zu Wappi verlief ohne Störung. Kein Gnarf, kein Meteorit, keine Tanzplaneten.

Als sie den Planeten erreichten, vibrierte der Lichtwürfel leicht und schwebte langsam aus der Station – hinaus ins All. Das schwarze Ei folgte ihm.

Dann passierte es.

Wappi begann zu leuchten. Sanft. Tiefblau. Seine Oberfläche öffnete sich – nicht wie ein Riss, sondern wie eine Tür. Der Lichtwürfel glitt hinein. Das Ei folgte. Und dann schloss sich alles wieder.

„Danke“, sagte Wappi.

Seine Stimme klang klar, ruhig, vollständig.

„Ich bin nicht nur ganz – ich bin mehr als vorher.“

Jo, Mo und Nia standen nebeneinander an der Aussichtskuppel der Kicherstern. Keiner sagte etwas. Alle wussten: Das war etwas Besonderes gewesen.

Doch plötzlich ging ein neuer Alarm los.

„Signal erkannt. Nachricht empfangen. Absender: unbekannt. Inhalt: Einladung.“

Mo stöhnte. „Nicht schon wieder.“

Jo grinste. „Was steht drin?“

Nia las vor:

„Betreff: Willkommensfest für Heimkehrer und Helfer.
Ort: Planet Wappi, Nordhalbkugel.
Dresscode: Glühwürmchenfestlich.“

? Wie wird das Wiedersehen? Was ist ein glĂĽhwĂĽrmchenfestliches Outfit?
? Das erfährst du morgen im letzten Teil 7: Das Fest unter zwei Sonnen.

Die Stimme des LichtwĂĽrfels hallte durch den Kontrollraum der Kicherstern.

„Ich weiß nicht mehr, zu wem ich gehöre…“

Jo, Mo und Nia blickten einander an. Selbst das unheimliche Krallenschiff Gnarf schwieg. Das violette Auge wirkte… verwundert.

„Er hat vergessen, dass er zu Wappi gehört“, flüsterte Nia.

„Er war zu lange allein“, sagte Jo leise. „Zu lange in der Dunkelzone.“

Der Lichtwürfel schwebte jetzt zwischen beiden Schiffen – ruhig, langsam kreisend. In seinem Inneren tanzten kleine helle Punkte. Man hätte meinen können, es seien Sterne. Oder Erinnerungen.

„Was ist, wenn er sich nicht entscheiden kann?“, fragte Mo.

Jo holte tief Luft. „Dann zeigen wir ihm, wo er herkommt.“

„Wie meinst du das?“, fragte Nia.

„Wir verbinden ihn mit Wappi. Nicht physisch – sondern über den Erinnerungsfunk. Nia, kannst du das?“

Nia blinzelte überrascht. „Ich... denke ja. Ich brauche nur einen sauberen Kanal und ein bisschen Sternenstaub.“

Mo zog ein altes Honigglas unter dem Steuerpult hervor. „Ich bewahr immer welchen auf. Für Notfälle und Glitzer-Unfälle.“

Nia nahm das Glas, kicherte kurz und tippte flink auf dem Funkfeld herum. „Okay… ich hab eine Verbindung. Wenn der Würfel noch Erinnerungen an Wappi hat, dann tauchen sie jetzt auf.“

Jo nickte. „Dann los.“

Für einen Moment war es still. Dann flackerte der Würfel auf – und auf den Hauptbildschirm der Kicherstern wurden plötzlich Bilder projiziert:

? Ein grĂĽner HĂĽgel mit zwei Sonnen.
? Kinder, die im Kreis tanzten und Gläser mit Glühwürmchen hielten.
? Ein kleiner See, der nachts selbst zu leuchten begann.
? Und inmitten dieser Welt: der LichtwĂĽrfel, schwebend ĂĽber einer Statue mit der Aufschrift

„Herz von Wappi“

„Ich erinnere mich“, flüsterte der Würfel.

Er vibrierte leicht. Dann stärker. Ein Ton erfüllte den Raum – sanft, warm, wie eine Melodie, die man einmal gehört hat und nie mehr vergisst.

Doch dann – klack – zog sich der Greifarm von Gnarf fester um ihn.

„NEIN!“, knurrte das Schiff. „Du hast mir Gesellschaft geleistet. Ohne dich ist hier wieder nur… Leere.“

Jo trat an die Kommunikationseinheit. Ihre Stimme war ruhig, aber klar.

„Gnarf, ich glaube, du bist nicht böse. Du bist einsam.“

„Ich bin kein Kuschelteleskop!“, fauchte Gnarf.

„Nein“, sagte Jo. „Aber du bist nicht gebaut zum Alleinsein. Keiner ist das.“

Es herrschte eine lange Pause.

Dann ertönte Gnarfs Stimme – kaum hörbar:

„Ich wusste nicht, dass Planeten zurückrufen können.“

Mo flüsterte: „Das war fast… rührend.“

Plötzlich öffnete sich der Greifarm. Der Lichtwürfel wurde freigegeben – und trieb langsam zur Kicherstern hinüber.

„Nehmt ihn mit“, sagte Gnarf. „Aber… könntet ihr vielleicht... irgendwann wieder vorbeikommen? Einfach nur… um Hallo zu sagen?“

Jo lächelte. „Versprochen.“

Und als die Kicherstern abdrehte, sahen sie noch, wie das violette Auge von Gnarf einmal leise blinkte – ganz kurz. Vielleicht ein Augenzwinkern. Oder ein Abschied.

Der Lichtwürfel ruhte jetzt auf einem Polster in der Mitte des Kontrollraums. Er schimmerte friedlich – und wartete.

„Bereit zur Rückkehr“, sagte Jo.

„Zu Planet Wappi“, flüsterte Nia.

Doch kaum hatten sie den Kurs gesetzt, meldete der Bordcomputer:

Achtung. Unbekanntes Objekt nähert sich mit hoher Geschwindigkeit. Kein Funkkontakt. Kein Licht. Keine Richtung.

„Was jetzt?!“, rief Mo.

Auf dem Bildschirm erschien ein schwarzes Etwas – schnell, lautlos und riesig.

? Was ist dieses neue Objekt? Freund oder Feind?
?? Das erfährst du morgen in Teil 6: Das schwarze Ei im All.

„Wir fliegen in die Dunkelzone?“, fragte Mo skeptisch. „Gibt es da überhaupt… Licht?“

„Nein“, antwortete Nia. „Und genau deshalb heißt sie so.“

Jo nickte. „Es ist das einzige Gebiet im bekannten Raum, das Licht verschluckt. Kein Sternenfunkeln, kein Nebelschein. Einfach… Dunkel.“

„Na super“, murmelte Mo. „Vielleicht sollte ich eine Taschenlampe mit extra Mut einpacken.“

Ein paar Stunden später war es soweit. Die Raumstation Kicherstern glitt langsam in die Dunkelzone hinein. Der Moment, in dem das letzte Licht verschwand, fühlte sich an wie ein tiefer Atemzug – und dann: absolute Schwärze.

Die Außenfenster wurden schwarz. Der Bildschirm zeigte nur noch verwischte Formen. Der Bordcomputer piepte nervös.

„Hinweis: Sie haben den Sichtmodus verloren. Viel Erfolg.“

Jo schaltete auf manuelle Steuerung. „Wir sind nicht blind. Wir haben Sensoren. Und wir haben uns.“

Mo seufzte. „Das sagt sie immer, kurz bevor irgendwas explodiert.“

Doch nichts explodierte.

Stattdessen flackerte auf einmal ein schwacher Punkt am Rande des Radars auf. Nur für eine Sekunde. Dann wieder. Und wieder. Es sah aus, als würde sich etwas bewegen – und zwar direkt auf sie zu.

„Was ist das?“, flüsterte Nia.

Jo zoomte heran.

Auf dem Bildschirm erschien… ein Raumschiff.

Aber kein normales. Es war spitz, zerfetzt an den Kanten, und hatte zwei lange metallene Greifarme an der Seite – wie Krallen. Seine Oberfläche war voller Kratzer, als hätte es sich durch halbe Galaxien gekämpft. Und auf der Spitze leuchtete ein einzelnes violettes Auge.

„Das ist es“, sagte Jo leise. „Das ist das Schiff, das Wappi beschrieben hat.“

„Und... das Ding sieht aus, als hätte es Zahnschmerzen“, fügte Mo hinzu.

Gerade, als sie sich näherten, flackerte das Auge. Und eine Stimme erklang – krächzend, kratzig und irgendwie beleidigt:

„Hier spricht das Schiff Gnarf.
Wer seid ihr – und warum starrt ihr mich an?“

„Wir sind von der Kicherstern“, antwortete Jo mutig. „Wir suchen ein Lichtwürfel-Herz. Ihr habt es gestohlen.“

Stille.

Dann ein langes, heiseres Lachen.

„Gestohlen?! Ich habe ihn… adoptiert! Er war ganz allein. Keiner hat ihn gebraucht. Jetzt gehört er mir.“

„Ein Planet braucht sein Herz!“, rief Nia. „Ihr könnt ihn nicht behalten!“

„Ich kann alles behalten, was ich greifen kann“, knurrte Gnarf. „Kommt näher – wenn ihr euch traut.“

Jo schaute zu ihren Freunden. Dann sagte sie: „Wir trauen uns.“

Sie aktivierte den Andockmodus. Langsam, ganz langsam, näherte sich die Kicherstern dem Krallenschiff. Das violette Auge verfolgte sie wie ein wachender Drache. Keiner sprach. Selbst Mo hielt den Atem an.

Als sie fast dran waren, öffnete sich plötzlich eine kleine Luke am Heck von Gnarf – und etwas Kleines, Leuchtendes schwebte ihnen entgegen.

„Das ist…“, hauchte Nia.

„…der Würfel“, flüsterte Jo.

Doch kaum hatten sie ihn erkannt, zog sich ein Greifarm aus dem Nichts zusammen und packte den WĂĽrfel erneut.

„Nein, nein, nein“, zischte Gnarf. „Er wollte bei mir bleiben. Fragt ihn selbst.“

In diesem Moment begann der Würfel zu blinken. Erst blau. Dann grün. Dann – weiß.

Und aus seinem Inneren ertönte eine zarte, klare Stimme:

„Ich… weiß nicht mehr, zu wem ich gehöre.“

? Was ist mit dem LichtwĂĽrfel passiert? Und wie kann man ihn ĂĽberzeugen, zurĂĽckzukehren?
? Das erfährst du morgen in Teil 5: Die Erinnerung im Inneren.

Die Raumstation Kicherstern schlingerte wie ein fliegender Joghurtbecher durch das All. Überall blinkten Warnleuchten, und die Stimme der Bordsteuerung meldete fröhlich:

„Achtung! Objekt nähert sich mit hoher Geschwindigkeit. Möglichkeit einer planetaren Umarmung: 87 %.“

„Planeta–was?!“, keuchte Jo, während sie sich am Steuerpult festhielt.

„Das heißt: Wir werden gleich getroffen, wenn wir nichts tun!“, schrie Mo, der an einem Hebel zog, der eindeutig nicht für Notfälle gedacht war. Eine Teekanne flog aus einem Wandfach.

Nia hatte inzwischen die Daten des fliegenden Planeten auf dem Bildschirm. „Er ist tatsächlich das, was von Wappi übrig ist – aber er ist… durcheinander.“

Jo schnappte nach Luft. „Wie durcheinander?“

„Die ganze Oberfläche ist verschoben. Städte drehen sich im Kreis, Berge wandern, Flüsse fließen rückwärts.“

„Das klingt wie ich vor dem ersten Kaffee!“, rief Mo.

Jo drĂĽckte einen groĂźen roten Knopf mit der Aufschrift DREH DICH DOCH!

Sofort begann die Kicherstern, sich wie ein Karussell zu drehen – einmal links, dann rechts, dann wieder links. Der Planet Wappi folgte – als hätte er verstanden, was sie taten.

„Moment mal“, murmelte Nia. „Er bewegt sich mit uns...“

Jo starrte auf den Bildschirm. „Er tanzt. Der Planet tanzt mit uns!“

Und tatsächlich: Jeder Dreh der Station wurde vom Planeten gespiegelt. Jeder Schlenker, jeder Richtungswechsel – wie ein Paartanz im Weltall.

„Vielleicht können wir ihn so beruhigen“, flüsterte Nia. „Wiegtanz statt Notlandung.“

Mo grinste. „Dann macht Platz – ich bin Experte im Weltraumwalzer!“

Doch es war kein Spaß mehr – der Planet kam näher. Und je näher er kam, desto stärker spürten sie: Etwas war in ihm wach geworden. Nicht gefährlich, aber mächtig. Ein leiser Summton vibrierte durch das All.

„Das ist keine Gefahr“, sagte Nia leise. „Das ist Musik.“

In diesem Moment wurde alles still. Der Planet schwebte fast regungslos neben der Kicherstern. Und dann – wie auf ein geheimes Signal – glühte er auf.

Blaue Lichter zogen über seine Oberfläche. Städte ordneten sich neu. Wasser floss wieder in Flussbetten. Ein kleines grünes Licht wanderte langsam aus seinem Inneren… direkt auf die Kicherstern zu.

„Was ist das?“, fragte Jo.

„Ein Signal“, sagte Nia.

PING.

Der Bordlautsprecher knackte. Eine Stimme ertönte, seltsam piepsig und freundlich:

„Willkommen, Helfer der Umlaufbahn. Ich bin Wappi. Ich erinnere mich wieder.“

Jo, Mo und Nia starrten einander an.

„Der Planet... redet?!“, fragte Mo.

„Ja“, sagte Wappi. „Aber ich bin noch nicht vollständig. Jemand hat mein Herzstück gestohlen. Es war ein Würfel aus Licht. Ohne ihn… bin ich nicht ganz ich.“

Jo ballte die Faust. „Wer war das?“

Wappi summte:

„Ein Raumschiff mit Krallen. Es kam aus der Dunkelzone.“

„Die Dunkelzone...“, murmelte Nia. „Da fliegt niemand freiwillig hin.“

Mo schluckte. „Dann ist das wohl unser nächstes Ziel.“

? Was ist die Dunkelzone? Und was hat es mit dem gestohlenen LichtwĂĽrfel auf sich?
? Das erfährst du morgen in Teil 4: Die Schatten zwischen den Sternen.

„Also“, sagte Kapitänin Jo und stellte sich vor den riesigen Bildschirm im Kontrollraum, „wir wissen bisher: Ein Planet ist verschwunden. Jemand hat uns eine Nachricht geschickt. Und dort vorne – genau da, wo der Planet mal war – ist jetzt… ein Lichtpunkt?“

Mo kaute nachdenklich auf seinem Brötchen. „Vielleicht ist das der Planet. Einfach geschrumpft. Passiert mir auch manchmal mit meinen Socken.“

„Ich glaub eher, das ist… etwas anderes“, murmelte Nia.

Sie vergrößerte das Bild auf dem Bildschirm.

Alle starrten. Der Lichtpunkt war kein Punkt – er war ein Wesen. Riesig. Rund. Und er bewegte sich langsam durch den Raum. Ganz gemächlich, als würde er durch Wasser gleiten. Dabei zog er einen glitzernden Schweif hinter sich her, wie ein Komet, der Musik hinterlässt.

„Oh wow…“, hauchte Jo. „Das ist ein Raumwal.“

Mo riss die Augen auf. „Ein was?!“

„Ein Raumwal“, wiederholte Jo. „Ich hab mal davon gelesen. Riesige Wesen, die durch das All schwimmen. Friedlich. Sehr selten. Man sieht sie nur, wenn man genau hinschaut – und wenn sie wollen, dass man sie sieht.“

Nia nickte ehrfürchtig. „Er sieht traurig aus.“

Tatsächlich war etwas Seltsames an dem Raumwal. Er glitzerte nicht überall gleich – an einer Stelle war sein Körper ganz matt, fast durchsichtig.

„Vielleicht hat er etwas… verloren?“, fragte Mo.

Jo schaltete den Außenlautsprecher ein. „Hier spricht Kapitänin Jo von der Kicherstern. Bist du… verletzt? Oder brauchst du Hilfe?“

Erst war es still. Dann vibrierte der ganze Raum.

Nicht laut. Nicht gefährlich. Sondern wie ein tiefer Seufzer.

Und plötzlich hörten sie eine Stimme – leise, aber deutlich:

„Ich habe geschluckt, was ich nicht verstehen konnte.
Und jetzt… bin ich voll.
Zu voll.“

Alle drei sahen sich an.

„Hast du… den Planeten Wappi geschluckt?!“, fragte Mo vorsichtig.

Der Raumwal glitt noch ein Stück näher. Jetzt konnten sie sogar winzige Sterne erkennen, die in seiner Haut gefangen zu sein schienen.

„Er war allein. Ich wollte ihn retten.
Aber ich bin kein Zuhause.
Ich bin ein Schwimmer.“

„Oh nein…“, flüsterte Nia. „Er hat den Planeten in sich aufgenommen, um ihn zu beschützen.“

Jo runzelte die Stirn. „Aber wenn er ihn nicht mehr halten kann…?“

In diesem Moment blitzte es auf dem Rücken des Raumwals. Ein dunkler Riss öffnete sich langsam – und darin schimmerte etwas Rundes. Groß. Leise vibrierend.

Mo deutete auf den Riss. „Ist das… ist das etwa der Planet?!“

Bevor jemand antworten konnte, ging ein Alarm los.

Wiuuuh! Wiuuuh!

„Oh nein!“, rief Jo. „Der Planet fällt aus dem Raumwal heraus – direkt auf uns zu!“

Und dann geschah alles gleichzeitig:

Ein Lichtstrahl durchzuckte das All. Die Kicherstern drehte sich wild. Nia klammerte sich an ihren Sitz. Mo ließ sein Marmeladenbrötchen los, das dramatisch in Zeitlupe davonflog.

Und durch das große Fenster sahen sie, wie sich der Planet Wappi langsam aus dem Walkörper löste – wie ein riesiges Ei aus einem kosmischen Nest.

„ALLE AUF POSITION!“, rief Jo.

? Wird es ihnen gelingen, den Planeten aufzufangen? Oder kracht er auf die Kicherstern?
? Das erfährst du morgen in Teil 3: Der Tanz mit dem verlorenen Planeten.

Weit draußen, zwischen funkelnden Sternen und leuchtenden Nebeln, schwebte die Raumstation Kicherstern. Sie war nicht besonders groß, aber sie hatte einen riesigen Aussichtsturm in Form einer Eiswaffel, bunte Solarschirme in Zickzackform – und sie war die einzige Raumstation im Universum, die nicht stillstehen konnte.

„Wackel links – wackel rechts!“, sang sie jeden Morgen, sobald ihre Steuerung aktiviert wurde.

Denn die Kicherstern hatte ein kleines Problem: Ihre Lagestabilisatoren waren ein bisschen... albern programmiert. Anstatt still ĂĽber einem Planeten zu kreisen, wie es Raumstationen normalerweise tun, machte sie den ganzen Tag Schlenker, Drehungen und sogar kleine HĂĽpfer.

Ihre drei Besatzungsmitglieder waren daran gewöhnt – mehr oder weniger.

Da war Kapitänin Jo, mutig, fröhlich und immer mit einem Notizblock unterwegs, auf dem sie Pläne kritzelte, die nie so funktionierten, wie sie wollte. Dann gab es Techniker Mo, der eine Vorliebe für klebrige Pflaumenmarmelade hatte und alle Maschinen liebevoll „Käpt’n Klonk“ oder „Sir Schraube“ nannte. Und zu guter Letzt Nia, die Funkexpertin, die immer barfuß durch die Station lief, weil sie meinte, sie könne so die Stimmung der Sterne besser spüren.

An einem besonders sonnigen Weltraumtag – die Kicherstern war gerade dabei, sich elegant im Kreis zu drehen wie ein Pfannkuchen – hörte Nia ein Kling, dann ein Bloop, dann ein langgezogenes Wöööööömpf!

„Jo? Mo? Ich glaub, jemand ruft uns an!“, rief sie.

Jo kam sofort angesaust – leicht schräg, denn die Schwerkraft war mal wieder durcheinander.

„Woher kommt das Signal?“, fragte sie.

Nia zeigte auf ihren Bildschirm. Dort blinkte eine Nachricht in leuchtend-orangefarbenem Text:

HILFE. PLANET WAPPI IST VERSCHWUNDEN.
BITTE SCHICKT EINE BANANE UND EINEN PLAN.

Mo kam mit einem Marmeladenbrötchen in der Hand herein und las mit vollem Mund: „Ein ganzer Planet?! Einfach weg?!“

„Und was hat das mit einer Banane zu tun?“, fragte Jo.

Nia runzelte die Stirn. „Vielleicht ist das ein Codewort.“

„Oder ein Übersetzungsfehler“, meinte Mo. „Ich hab mal einen Toaster auf Venusisch gestellt. Der hat 'Schattenmodus' gesagt und sich dann selbst gefressen.“

Alle drei schauten sich an.

Ein verschwundener Planet?

Ein merkwĂĽrdiger Hilferuf?

Ein Auftrag fĂĽr die Kicherstern?

„Leute...“, sagte Jo und holte tief Luft. „Ich glaube, das ist der Beginn unserer ersten echten Weltraummission!“

Und draußen vor dem Fenster blitzte plötzlich ein silberner Punkt auf – genau dort, wo Planet Wappi eigentlich sein sollte...

? Was hat das mit dem Lichtpunkt auf sich? Und wie verliert man einen ganzen Planeten?
? Das erfährst du morgen in Teil 2: Die Begegnung mit dem Raumwal.

Der Wald war inzwischen dunkel geworden. Zwischen den Bäumen blinkten erste Glühwürmchen, und die Luft war still und weich wie ein warmes Tuch.

Ella, Linus und das Reh gingen nebeneinander her, schweigend, aber verbunden. Jeder trug sein Blatt mit dem Zeichen – ein stilles Erinnern an etwas Besonderes.

„Weißt du, was komisch ist?“, sagte Linus schließlich leise. „Ich hab mir heute nichts Konkretes gewünscht. Aber irgendwie hab ich trotzdem bekommen, was ich gebraucht hab.“

Ella nickte. „Ich auch. Ich dachte, ein Wunsch müsste immer etwas sein, das man sich von außen holt. Aber vielleicht ist ein echter Wunsch etwas, das man in sich entdeckt.“

Das Reh blieb stehen und sah zum Himmel hinauf. Zwischen den Ästen funkelten ein paar Sterne. „Ich glaube, der Baum hat keine Magie“, sagte es leise. „Er hört einfach nur genau hin. Viel besser, als wir es oft selbst tun.“

Plötzlich blieb Ella stehen.

Vor ihnen, ganz nah, lag eine kleine Lichtung, die sie gut kannten. Und mitten darin: Piko.

Der kleine Vogel saß auf einem Zweig – höher als je zuvor – und sang.

Nicht laut, nicht fehlerfrei, aber fröhlich. Und diesmal ohne Zittern.

Als er sie bemerkte, flatterte er ein Stück herunter. „Ich hab's geschafft! Ich bin heute ganz allein bis zum hohen Ast geflogen!“

„Bravo!“, rief Linus, und sogar das Reh lächelte.

„Wisst ihr, was mir geholfen hat?“, fragte Piko. „Nicht, dass ich plötzlich mutig war. Sondern dass ich wusste: Es ist okay, sich helfen zu lassen. Und irgendwann hilft man selbst.“

Ella lächelte. „Dann war der Wunschbaum auch bei dir.“

Sie ruhten sich gemeinsam in der Lichtung aus, kuschelten sich ins Gras, während die Nacht leise um sie herum wuchs.

„Was wünschst du dir jetzt, Ella?“, fragte Linus noch einmal.

Ella sah in den Himmel, dann zu ihren Freunden, dann auf das Blatt in ihrer Pfote.

„Gar nichts mehr“, sagte sie. „Ich hab ja alles, was ich brauche.“

Und in dem Moment, als sie das sagte, stieg ein warmer Wind auf und trug ein letztes Blatt vom Baum herüber – es schwebte lautlos über ihnen, tanzte kurz im Mondlicht und landete genau in der Mitte der Lichtung.

Darauf war kein Symbol. Kein Wort. Nur ein kleiner Punkt aus weichem, goldbraunem Staub. Und der roch… wie Zuhause.


Ende der Geschichte

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